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Nudelsuppe in Peking

  • Tim Evers
  • 7. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

10. April 2025, Beijing, China

 



Es ist kurz vor neun, als wir auf dem Beijing International Airport landen. Die Einreiseformalitäten sind überraschend unkompliziert und schon eine Dreiviertelstunde später stehen wir am Bahnsteig des Hauptstadtflughafens. Das Schwierigste dabei war, den Übergang vom Flughafen zum Bahnhof zu finden und natürlich ist die Vorsilbe „International“ keine Garantie für belastbare Englischkenntnisse des Flughafenpersonals. Doch was an Sprachkenntnissen fehlt, wird durch Hilfsbereitschaft wettgemacht. Und so ist es ein aufmerksamer Polizist, der von unserem Umherirren Notiz nimmt und uns auf dem Weg zum Bahnsteig begleitet. Er wird nicht der letzte freundliche Helfer an diesem Abend bleiben, doch dazu später mehr. Zunächst müssen wir die Sicherheitskontrollen am Eingang des Bahnhofs passieren. Fast hätten wir gedacht, der hilfsbereite Polizist hätte uns nur zu einem anderen Flughafenterminal bugsiert, so massiv sind die Sicherheitsvorkehrungen: Körperscanner, Gepäckscanner, Sicherheitspersonal, Leibesvisitation und das an allen Ein- und Ausgängen der insgesamt 522 Stationen der Beijing Metro. Sicherheit scheint den Chinesen also etwas wert zu sein. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die massive Polizeipräsenz, vor allem aber durch die wohl lückenlose Kameraüberwachung in den Straßen. Wir haben akribisch Schritte gezählt und kommen zu dem mehr oder weniger sicheren Ergebnis, dass in Peking alle 100 Meter Kameras hängen. Laut Statistik ist Peking eine der sichersten Hauptstädte der Welt.

Inzwischen ist es 22.37 Uhr und wir fahren in unsere Zielhaltestelle ein. Natürlich ist der Zug auf die Minute pünktlich. Den restlichen Weg zu unserer Unterkunft können wir zu Fuß zurücklegen. Viele der touristischen Highlights der Stadt befinden sich ebenfalls in Laufnähe zu unserer Unterkunft und so hoffen wir, das Beste aus unseren 24 Stunden im Reich der Mitte herauszuholen, bevor es am nächsten Tag weiter nach Mexiko geht.

Auf dem Weg zu unserer Unterkunft kommen wir an den Leuchtreklamen etlicher Restaurants vorbei und unsere kleine Raupe Nimmersatt meldet sich zu Wort, sie sei nun bereit für einen Mitternachtssnack. Doch wir haben kein Bargeld und müssen so unseren Weg zum Hostel erst einmal fortsetzen. Dort angekommen, erklären wir dem höflichen Eigentümer die Situation, der gleich darauf verschwindet, um nur kurze Zeit später mit zwei gefüllten Teigtaschen wiederzukommen. Diese schmecken wie eine Mischung aus Omas Dampfnudeln und Bessarabischen Teigtaschen und sollen vorerst den größten Hunger unserer Tochter stillen, während mir der Chef höchstpersönlich eine Fahrt auf seinem Elektroroller zum nächsten Geldautomaten anbietet. Dankbar nehme ich Platz und wir fahren lautlos durch die Stille der Pekinger Nacht, denn auch 90% aller anderen Verkehrsteilnehmer sind elektrisch unterwegs. Fünf Minuten später sind wir mit gefülltem Portemonnaie zurück im Hotel und unser Räupchen hat immer noch Hunger. Die Teigtaschen haben nicht geschmeckt. Also machen wir uns auf den Weg.

Mittlerweile ist es 23.30 Uhr. Eine Nudelsuppe soll es sein. Nichts leichter als das und so stolpern wir in den erstbesten, gut besuchten Laden, der irgendwie nach Nudelsuppe aussieht. Verloren stehen wir im Eingangsbereich und versuchen verzweifelt die Bilder der Gerichte an den Wänden zu interpretieren.. Es sieht schon irgendwie nach Suppe aus, aber ganz eindeutig ist die Sache nicht. Natürlich fallen wir auf, wie wir so in einem Laden voller Chinesen am Eingang herumstehen und Löcher in die Wand starren, und so dauert es nicht lange, bis eine freundlich dreinblickende Frau von einem Nebentisch aufsteht und uns in passablem Englisch ihre Hilfe anbietet. Wir schildern die Situation und sie muss uns enttäuschen. „Aber wenn wir wollen, können wir hier die besten Schweineinnereien der Stadt essen“, sagt die Frau schwärmerisch und deutet auf den großen Michelin-Stern über dem Eingang zur Küche.

Wir lehnen freundlich ab und schieben die ganze Sache auf unsere Tochter, die „unbedingt eine chinesische Nudelsuppe essen möchte“ und sind mal wieder dankbar für eine gesichtswahrende Ausrede, die zudem kein Englisch versteht.

Die Frau mustert unsere Tochter freundlich und entscheidet dann kurzerhand uns zu helfen. Gemeinsam verlassen wir das Restaurant und die Frau dirigiert uns zielsicher zu einem kleinen, schmuddeligen Laden auf der anderen Straßenseite. Keine Karte, keine Bilder, nur eine riesige Tafel mit unzähligen chinesischen Schriftzeichen gibt den Kundigen Auskunft über das Angebot des älteren Herren, der gerade gemütlich aus der kleinen Küche schlurft.

Er rattert ein paar Empfehlungen herunter, die unsere freundliche Helferin für uns übersetzt, als sich schon das nächste große Problem auftut: Wir hätten unsere Suppe gerne ohne Fleisch. Diese neue Information stößt nun auch unserer wortgewandten Dolmetscherin vor den Kopf und sie muss einige Male nachfragen, was genau wir damit meinen. Am Ende holt der ältere Herr nacheinander verschiedene Zutaten aus seiner Küche und wir dürfen jedes mal abnicken, ob wir diese in unsere Suppe wollten oder nicht. Kurz darauf verabschieden wir uns dankbar von der freundlichen Chinesin, setzen uns und warten hungrig auf unsere Suppe. Kurz vor Mitternacht werden uns zwei riesige Nudelsuppen in köstlich dampfenden, gusseisernen Töpfen serviert, über die wir uns gierig hermachen. Die gefühlt drei Meter langen Nudeln dabei mit Stäbchen halbwegs sicher in den Mund zu befördern, gestaltet sich dabei als ziemliche Herausforderung und schon kurze Zeit später ist alles von oben bis unten mit Suppe bekleckert.

Ein Glück sieht es die chinesische Tischetikette jedoch nicht ganz so streng und so schlürfen und schmatzen wir kleckernd und unter schallendem Gelächter unserer Tochter eine Nudel nach der anderen in unseren Mund. Kurz vor Beendigung unseres Nudelsuppenmassackers, kommt die freundliche Chinesin in Begleitung ihres Mannes noch einmal vorbei und erkundigt sich höfflich, ob uns die Suppe schmeckt und ob wir noch irgendwelche Hilfe benötigen. Dankend lehnen wir ab und treten beseelt den Heimweg an, in uns ein wohlig warmes Gefühl, ausgelöst von köstlicher Nudelsuppe und chinesischer Gastfreundschaft.

 

 
 
 

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