Familienhobby
Koh Tao, 01.10.2024
Die Sonne steht bereits sehr tief. In einer halben Stunde wird sie hinter den schroffen Felsen verschwunden sein. Es ist windstill, aber dennoch bewegt eine sanfte Dünung die Wasseroberfläche. Adina ist gute fünf Meter vor mir. Sie lässt sich treiben und erkundet mit wachen Augen das Riff. Immer auf der Suche nach einer Schildkröte und dem Ehrgeiz diese als erstes zu erblicken. Ich schaue nach hinten. Das Ufer ist schon ein gutes Stück weit entfernt. Wir schwimmen im offenen Meer. Dann ein prüfender Blick zur Seite. Neben mir strampeln zwei aufgeregte kleine Füße hin und her, zwei aufgeregte Hände zeigen und deuten auf alles Neue, was ihnen unter der Wasseroberfläche begegnet. Und das ist so einiges: Schwärme von Riffbarschen und Papageienfischen, Barakudaschulen und Schmetterlingsfische. Wir sind an der sogenannten Shark Bay und frönen unserem neuen Familienhobby: dem Schnorcheln. Bis jetzt war das immer so ein Soloding für mich. Ich hatte schon immer eine Leidenschaft fürs Schnorcheln und habe meinen Schnorchel schon um die halbe Welt geschleppt. Aber eben immer allein. Adina hat meistens am Strand auf mich gewartet. Anders war das mit dem Tauchen. Das war von Anfang an so ein Partnerding für uns. Vom ersten Tauchgang vor 12 Jahren in Thailand, über weitere in Indonesien und Mauritius, sind wir immer zusammen getaucht und haben auch unsern Tauschein damals zusammen in Ägypten gemacht. Doch hier endete unser gemeinsames Tauchkapitel auch gleichzeitig. Zum einen haben sich danach wenige Gelegenheiten ergeben, zum anderen war der Tauchkurs in Ägypten auch nicht der beste und vor allem Adina wurde durch unseren machohaften Tauchlehrer sehr die Freude an diesem Sport verdorben. Seit dem war auch meine Taucherkariere pausiert und ich schnorchelte wieder allein durch die Welt.
Nun sind wir diesmal zu dritt in Thailand und die wunderschöne Unterwasserwelt dieses Landes hält erneut viele begeisternde erste Male für uns bereit. So waren unsere 30 Tage im Golf von Thailand ganz dem Meer und seiner Bewohner gewidmet.
Bereits auf Koh Samui hat unser Töchterchen ihre Leidenschaft für die Unterwasserwelt entdeckt und es war eine wahre Freude sie dabei Hand in Hand zu begleiten. Aus der Begeisterung entwickelte sich ein festes Ritual und seitdem springen wir jeden Morgen nach dem Frühstück ins Meer oder in den Pool. Mit der Routine kam auch die Sicherheit und mittlerweile bewegt sich unsere kleine Wasserratte gekonnt durchs kühle Nass, schnorchelt, springt, schwimmt und taucht, als hätte sie nie etwas anderes getan. Ihre Begeisterung schwappte auch auf mich über und ich freute mich mit meiner Tochter über jeden Fisch und jede Koralle, die wir auf unseren morgendlichen Erkundungstouren entdeckten, beseelt und glücklich endlich einen begeisterten Schnorchel-Buddy an meiner Seite zu haben. Was gäbe es schließlich schöneres als Vater und Tochter gemeinsam durch das azurblaue Meer zu schnorcheln? Vielleicht als Familie durchs azurblaue Meer zu schnorcheln? Doch das sollte noch etwas Zeit und einen erneuten Sologang von mir erfordern. Fasziniert von der Unterwasserwelt, wollte ich erneut meine Tauchkariere in Angriff nehmen und gleichzeitig mehr über die Meeresbewohner erfahren. Denn ich merkte bei unseren Schnorcheltripps auch, dass ich meiner Tochter fast nichts über unsere Entdeckungen erzählen konnte. Peinlich für einen Biologen. Da stolperte ich über das „Reef Conservation Project“ auf Koh Tao. Eine gemeinnützige Organisation bei der erfahrene Meeresbiologen und Meeresbiologinnen in Kooperation mit lokalen Tauschulen die Riffe der Insel schützen und erforschen. Mein Schnorchel-Papa-Biologen-Herz horchte auf, als ich erfuhr, dass man als Praktikant an Schulungen und Arbeitstauchgängen teilnehmen kann. Die Sache hatte nur einen Haken, oder besser gesagt drei: der Kurs kostete Geld, ich müsste drei ganze Tage teilnehmen, damit sich die ganze Sache lohnt und ich brauchte den nächsthöheren Tauschein, was noch einmal volle drei Tage in Anspruch nehmen würde. Doch Adina bestärkte mich darin, übernahm unsere Tochter für die Zeit und so stand die nächste Woche ganz im Zeichen des Tauchens. Und das nicht nur für mich. Denn während ich für den Tauchschein büffelte, meine ersten Meeresbiologiekurse besuchte und jeden Tag tauchen ging, widmeten meine beiden Mädels ihre Tage der Schildkrötensuche. Nicht weit entfernt von unserer Unterkunft, liegt die sogenannte Sharkbay. Eine kleine Bucht mit einem vorgelagerten und abgestorbenen aber keinesfalls totem Riff, welches berühmt für seine möglichen (ungefährlichen) Riffhai- und Schildkrötensichtungen ist. Von den Haien hat Adina unserer Tochter natürlich nichts erzählt, sonst hätte sie wohl keinen Fuß ins Wasser gesetzt. Aber bei den Schildkröten war sie dabei. Und so erzählten wir uns Nachmittag für Nachmittag voller Begeisterung, was wir wieder für tolle Entdeckungen gemacht haben. Und auch bei Adina war der Funken übergeschwappt. Euphorisiert durch die Begeisterung unsere Tochter beim Schnorcheln, entdeckte auch sie ihre Leidenschaft für die Unterwasserwelt neu. Genauso wie es mir kurz zuvor erging. Als würden wir durch die Augen unserer Tochter jeden Fisch und jede Koralle noch einmal ganz neu wahrnehmen, wie ein zweites erstes Mal, nur ab jetzt immer zu dritt.
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