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Tim Evers

Die Entzauberung der Welt?



19. April 2017, Cusco,


Ja wir haben es getan. Auch wir haben uns den unzähligen Touristenmassen angeschlossen, die Tag für Tag zu der wohl berühmtesten Attraktion des südamerikanischen Kontinents pilgern: Machu Picchu.

Hatten wir Bedenken? Ja, die hatten wir. Machu Picchu, da denkt man an mystische Inkaruinen, die versteckt in den Anden liegen und die es zu entdecken gilt. In Wahrheit fährt eine extra für Touristen errichtete Eisenbahn jeden Tag Wagenladungen voller kamerabehangener Weißgesichter dort hin. In der Hochsaison mehr als 2000 Menschen pro Tag. Alleine auf Exkursion ins sagenumwobene Machu Picchu? Fehlanzeige! Reisen entzaubert ein Stück weit die Welt, haben wir in diesem Zusammenhang im Internet gelesen. Bei Machu Picchu wird ebenfalls auch der Geldbeutel entzaubert. 150$ Bahnfahrt, 20$ Hotel, 24$ für den Bus zu den Ruinen und noch mal 50$ für den Eintritt selbst. Statt Abenteuerstimmung eine rein finanzielle Leistung also. Doch es geht auch anders und das hat uns schließlich dazu bewegt uns auf den Weg zu machen, um das wohl berühmteste Foto einer Perureise mit nach Hause zu bringen. Wenn man schließlich schon mal hier ist.

Von der Küste Perus ging es schließlich mit einem Bettenbus nach Cusco. Statt dritte Welt Klapperkisten, gab es Flugzeug-Buisnessclass-Feeling auf der 17 Stunden langen Reise. Das wir dabei ordentlich Höhenmeter gemacht haben, hat sich nicht nur an den schneebedeckten Andengipfeln gezeigt, sondern auch daran, dass mein aufblasbares Reisekissen aufgrund des Druckunterschiedes fast geplatzt wäre.

Der Nabel der Welt und Hauptstadt des Inkareichs präsentierte sich schön, jedoch wegen der Regenzeit in den Anden, kalt und nass. Von hier aus starteten wir unsere Reise zur alten Inkafestung. Mit dem Bus ging es sieben Stunden über abenteuerliche Gebirgsstraßen und rauschende Flüsse nach Hydroelectrica. Hier enden schließlich sämtliche Straßen und man hat zwei Möglichkeiten. Die gut betuchten Reisenden steigen in den Zug oder sitzen schon seit Cusco darin. Alle anderen nehmen die Beine in die Hand und laufen die 12 km nach Aguas Caliente die Bahnschienen entlang. Dabei gibt es sicher schlimmeres als die drei Stunden durch die malerische Landschaft zu wandern.

Die Bahnschienen enden schließlich in dem kleinen Dorf Aguas Caliente, welches am Fuße von Machu Picchu liegt. Das Dorf lebt hauptsächlich von den unzähligen Touristen, die die Inkastadt besuchen wollen, zeigt sich aber dennoch in manchen Ecken noch authentisch.

Von hier aus starteten wir am nächsten Morgen den Aufstieg. Um vier Uhr nachts leitete der Wecker das Abenteuer ein. Mit Taschenlampen bewaffnet bahnten wir uns den Weg durch die Dunkelheit. Der Pfad führte uns entlang eines rauschenden Flusses ein gutes Stück aus dem Dorf hinaus, bevor der eigentliche Aufstieg begann. Über unzählige Stufen kämpften wir uns Meter für Meter nach oben. Immer wieder durchstießen wir kleinere Wolken, die am Hang des Berges schwebten, während hinter uns langsam der Tag anbrach. Schließlich erreichten wir zeitgleich mit den ersten Bussen das Plateau, völlig fertig aber glücklich.

Nach einer kurzen Verschnaufpause und einem Lob des Parkangestellten für die aktive Variante des Machu Picchu Besuchs, betraten wir schließlich das eigentliche Gelände und waren pünktlich am weltberühmten Aussichtspunkt, bevor die Sonnen über die Andengipfel stieg.



Und wie steht es nun mit der Entzauberung der Welt? Also wir für unseren Teil waren doch verzaubert von dem Anblick der uns geboten wurde. Natürlich trug das Gefühl, den Aufstieg pünktlich geschafft zu haben, dazu bei. Aber auch so begeistert die majestätische Festung einfach. Die alten Inka mussten einen unglaublichen Sinn für Ästhetik gehabt haben. Mit der Aussicht, jeden Morgen mit so einem Blick aus dem Fenster wach zu werden, hätten wir auch die Mühen auf uns genommen, eine Stadt in die Berge zu bauen. Die ganze Szenerie ist einfach spektakulär. Und so entschieden wir uns auch, statt einer Führung, weiter hinauf zu steigen, immer auf der Jagd nach noch schöneren Ausblicken.

Dass wir den ganzen Weg am Ende auch wieder zurück müssen und dazu noch ein drei Stunden Marsch nach Hydroelectrica vor uns lag, haben wir im Eifer des Gefechts mal wieder ausgeblendet. So mussten wir nicht nur die Stunde Fußmarsch vom Sungate (einem Aussichtspunkt auf Machu Picchu) zurück zur Festung und von da wiederum eine Stunde zurück nach Aguas Caliente, sondern auch bis um 14.00 Uhr zurück in Hydroelectrica sein, um den Bus nach Cusco zu erwischen. Ein ganz schöner Gewaltmarsch also, bei dem so einige Kilometer zurückgelegt wurden. Doch während Blasen und Muskelkater wieder vergehen, bleibt die Erinnerung.

Dazu kommt die Gewissheit, dass unser Besuch beim Machu Picchu günstiger war, als von allen anderen. Man sind wir deutsch.


 

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