Vier Einbrecher und ein Haus am Strand
Es ist später Nachmittag. Die Sonne steht tief am Horizont über dem kleinen Fischerdorf Punta del Diablo, während die Wellen des Atlantiks unablässig an den Strand rauschen. Dieser ist gesäumt von unzähligen winzigen Häuschen, die scheinbar willkürlich in die wunderschöne Landschaft gestellt wurden. Wir, inzwischen zu viert, da in Buenos Aires der lang ersehnte Besuch von Micha und Jessi anstand, sind mitten drin, laufen die Häuserreihen immer wieder auf und ab, auf der Suche nach unserem Ferienhaus. Ein System oder gar Adressen scheint es in diesem wilden Durcheinander nicht zu geben und so bleibt uns nur ein Blick auf die Karte.
Schließlich finden wir ein Haus mit blauen Dach, dem einzigen passenden Merkmal, dass uns noch in Erinnerung ist. Dass das Haus, welches gerade vor uns steht knall Pink ist, passt nicht so richtig zu unserem Bild im Kopf. Schließlich hätte uns das beim Stöbern im Internet doch auffallen müssen. Doch die Position scheint zu stimmen. Zudem steckt ein Schlüssel in der Tür, jedoch ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen. So betreten wir vorsichtig das Haus und machen es uns erst einmal gemütlich. Am Himmel gibt sich gerade die Sonne mal die Ehre und so machen wir uns auf zum Strand, um die selten gewordenen Sonnenstunden zu genießen. Denn was von uns so richtig keiner auf dem Schirm hatte ist, dass wir mittlerweile auf der Südhalbkugel sind, weit entfernt von Äquator und Atacamawüste und dass hier der Herbst in voller Blüte steht. In Buenos Aires wurden Jessi und Micha von viel Regen und wenig Sonne begrüßt. Und das wunderschöne kolonial Städtchen Colonia de Sacramento auf der anderen Seite des Flussdeltas des Rio Uruguay, präsentierte sich als wahres Herbstmärchen. Kleine Alleen, mit Kopfsteinpflaster, auf denen sich das bunte Laub der Bäume sammelte, luden zum Spazieren ein. Und kleine Gassen zwischen alten Kolonialvillen auf denen halb verwitterte Oldtimer standen, brachten uns immer wieder zum Staunen. Der ganze Ort sprühte nur so vor Charme und der einbrechende Herbst verlieh dem ganzen noch das i-Tüpfelchen. Doch unsere beiden Gäste hatten etwas andere Erwartungen an Südamerika und auch wir konnten so langsam mal wieder etwas Sonne vertragen. Also machten wir uns über Montevideo weiter auf in Richtung Norden, der Sonne entgegen und genießen nun gemeinsam den ersten Tag am Strand.
Weit nach Sonnenuntergang sitzen wir in unserer schnuckeligen Küche und lassen uns das selbst gemachte Bruchetta schmecken, als es an unserer Tür klopft. Eine junge Frau, fragt wer wir seien und wie wir hier reingekommen sind. Vermutlich ist sie die Besitzerin. Aufgeregt erklären wir ihr, dass eine nette Dame am Busbahnhof uns ein Taxi rufen wollte, welches aufgrund der anstehenden Siesta jedoch nicht kam. Danach rief sie bei der Vermietung an, um zu fragen, ob uns hier jemand fahren könnte, was auch nicht klappte. Jedoch versicherte sie uns, dass jemand an der Unterkunft warten würde. Danach erzählten wir ihr von der Suche nach dem Haus und dem steckenden Schlüssel und die junge Frau fing an zu lachen. Zusammen mit ihrer Mutter betreibt sie die Ferienwohnungen. Beide waren sie aber den ganzen Tag unterwegs. So ging wohl die betagte Großmutter ans Telefon, als sich die nette Dame vom Konsum um einen Transport für uns bemühte. Zudem gab es wohl keine Reservierungsanfrage von Booking.com und so waren Mutter und Tochter sichtlich überrascht, als abends in ihrem Ferienhaus das Licht brannte und sich vier Fremde die Mägen mit Brucheta voll schlugen. Mit viel Humor und kleinen Kommunikationsschwierigkeiten, können wir die Situation klären und Mutter und Tochter entpuppen sich als wahrlich herzliche Gastgeber. Das macht es alles ein wenig leichter, als es zur zweiten Schwierigkeit kommt: dem Bezahlen. Nur mit wenigen Groschen in der Tasche haben wir uns hierher aufgemacht und bereits beim kleinen Spaziergang durchs Dorf, machte sich die Ahnung breit, dass es hier wohl eher keine Bankautomaten gibt. Und wir sollten Recht behalten.
Mittels Google-Übersetzer kommunizieren wir mit den netten Vermietern, da unser Spanisch für Bankangelegenheiten nicht mehr reicht. Versuche, den Betrag zu überweisen scheitern an Unwissenheit über internationale Bankenbeziehung. Der einzige Supermarkt im Dorf mit einem VISA-Gerät kann auch nicht helfen und so lassen uns die beiden schließlich ziehen, ohne zu bezahlen. Mit einer Bankverbindung für nationale Transaktionen auf einem Schmierzettel und einem beneidenswerten Vertrauen in das Gute im Menschen, verabschieden sie sich von uns und übergeben uns den Zettel. Auf unserer letzten Station in Uruguay, an der Grenze zu Brasilien, sollen wir ihnen das Geld überweisen. Und das machen wir auch. So viel Freundlichkeit und Gutgläubigkeit darf nicht bestraft werden. Wir wollen auf keinen Fall die ersten Touristen sein, die den Zorn der liebenswürdigen Uruguayer auf sich ziehen, die so weltoffen und entspannt ihren Alltag bestreiten, ob mit oder ohne Hilfe des überall frei erhältlichen und gerne konsumierten Marihuana.
Wir finden das Transaktionsbüro, finden einen Geldautomaten und alles klappt reibungslos.
Danach fragen wir uns durch und machen uns zu Fuß auf zur Grenze. Doch nach einigen Kilometern bekommen wir Zweifel und ein erneutes Nachfragen schafft Klarheit. Wir brauchen einen Bus. Also drehen wir um, suchen den Busbahnhof und finden ihn. Neben Shuttlebussen zur Grenze, gibt es hier auch internationale Busse zu weiter entfernten Zielen in Brasilien. Und so entscheiden wir uns für einen Nachtbus nach Porto Alegre. Abends um 11 besteigen wir unser Gefährt und nach einer kurzen Fahrt erreichen wir die Grenze. Wir steigen aus, suchen das Migrationsbüro und wundern uns über die brasilianische Flagge, die hinter dem Beamten hängt.
Wir fragen, ob das bereits die brasilianische Seite ist und der nette Grenzer antwortet mit einem eindeutigen Lächeln. Auf die Frage, wo denn die uruguayanische Migration sei, erklärte man uns freundlich, dass diese mitten in der Stadt sei und nicht an der Grenze. Wir hätten uns vorher den Ausreisestempel holen müssen und der Bus würde dort nicht halten. Aber kein Problem. Den Brasilianern ist das egal und wir bekommen unseren Stempel. Jedoch könnte es Probleme geben, wenn wir eines Tages wieder zurück kommen wollen, ins wunderschöne Uruguay.
Comments