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Kapitel 9: Das erste Heimweh

„Tante Luise, Onkel Trung! Ich freue mich so euch zu sehen!“, Siwa sprang den beiden Kakadus in die Arme und drückte sie ausgiebig. Dann lösten sich die drei aus ihrer Umarmung und Siwa blickte freundlich zu Macarius, der sich bis dahin im Hintergrund hielt, um das Wiedersehen nicht zu stören.

Kapitel 9: Das erste Heimweh

„Das ist übrigens Macarius, mein Freund und der Grund warum ich überhaupt zufällig in der Nähe war.“
Tante Luise lächelte dem kleinen Krebs freundlich zu und sprach: „Schön dich kennenzulernen Macarius. Hast du Lust, dass wir dir ein wenig Japan zeigen?“
„Ich muss zugeben, dass ich schon viel über dieses Land gelesen habe und schon ein wenig neugierig bin es kennen zu lernen. Aber ihr dürft nicht vergessen, dass wir nicht zum Spaß hier sind und nach meiner Muschel suchen.“, antwortete Macarius skeptisch.
„Ah dein zu Hause“, erwiderte Onkel Trung wissend. „Siwa hat uns schon davon erzählt.“ Dann zwinkerte er Macarius zu. „Nun wir sind uns sicher, dass wir das mit dem Spaß und der Suche nach deiner Muschel ganz gut verbinden können.“
Eine halbe Stunde später fanden sich die vier in einem Meer aus Menschen und Lichtern wieder. Noch nie hatte Macarius so etwas gesehen und die Gefühle des schüchternen Krebses pendelten permanent zwischen Angst und Faszination hin und her. Onkel Trung und Tante Luise hatten ihre Gäste zielstrebig in die Tokios Innenstadt geführt und dabei so ein Tempo vorgelegt, dass Macarius immer wieder Schwierigkeiten hatte hinterherzukommen. Das Meer an Leuten und die hektische Betriebsamkeit waren gar nichts für den kleinen Krebs, dazu all die fremden Gerüche und Geräusche. Doch immer, wenn es ihn zu überfordern drohte, führten Siwas Verwandte sie zu einer neuen Attraktion. Und Macarius liebte sie alle. Er liebte die köstliche Nudelsuppe, die hier Ramen genannt wurden. Er liebte die tollen Stempel, die man wie bei einer Schnitzeljagd an den Bahnhöfen und Sehenswürdigkeiten finden und als Andenken in ein kleines Heftchen stempeln konnte. Und er liebte die vielen kleinen Spielzeugautomaten, an den Onkel Trung und Tante Luise einfach nicht müde wurden immer wieder etwas Kleingeld hineinzuschmeißen, um ihn mit kleinen Überraschungen bei Laune zu halten. Aber vor allem liebte er diese kleinen süßen Tierchen, die sie hier Pokémon nannten und die nahezu überall in Japan zu finden waren. Der kleine Macarius verliebte sich sofort in einen kleinen orangefarbenen Fuchs und Siwas sehr spendable Verwandtschaft besorgte ihm kurzerhand ein Kuscheltier davon. Onkel Trung hatte recht. Macarius hatte wirklich eine Menge Spaß, obwohl er vorher nie gedacht hätte, dass ihm ein so quirliges und aufregendes Land wie Japan gefallen würde. Normalerweise mochte er es doch ruhig und beschaulich und große Menschenmassen waren eigentlich gar nichts für ihn. Doch die beiden alten Kakadus verstanden es, aus allem ein großes Abenteuer zu machen, ganz wie seine beste Freundin Siwa. Und so verging die Zeit mit den beiden wie im Flug.
Nach sieben wundervollen Tagen verabschiedeten sich Onkel Trung und Tante Luise. Wie es sich für echte Zugvögel gehörte, mussten sie weiterziehen.
Und so waren Siwa und Macarius plötzlich wieder zu zweit und mit dem Abschied holte Macarius die Sehnsucht nach seinem zu Hause wieder ein. Die eben noch so spannenden Facetten dieser Stadt überforderten ihn nur noch und die kleine beschauliche Wohnung, die sich die zwei nach der Trennung von Onkel Trung und Tante Luise gemietet haben, schienen Macarius zu erdrücken. Wie gern würde sich der kleine Krebs jetzt in seinem Muschelhaus verkriechen. Doch das war ja immer noch weg und so zog er sich anstatt in seine Muschel, in sich selbst zurück. Der kleine Krebs wurde still und trübsinnig und wie sehr sich Siwa auch abmühte ein Lächeln aus ihrem Freund herauszukitzeln, Macarius blieb still.
Doch eines Abends, die beiden waren gerade ins Bett gegangen und Siwa schlief bereits mit einem Auge, öffnete sich der kleine Krebs und schüttet seiner Freundin sein Herz aus. Sie sprachen über Heimweh und das Vermissen von Freunden und Familie. Sie sprachen aber auch darüber, was sie schon Tolles erlebt hatten und was sie sich für die weitere Zukunft wünschten. „Ich will zurück an den Strand und wieder mit dir schnorcheln.“, sagte Macarius und seufzte. „Und ich will das uns Onkel Trung und Tante Luise uns am Strand besuchen kommen, damit ich den beiden auch das Schnorcheln beibringen und die Unterwasserwelt zeigen kann.“
„Ja das wäre schön.“, erwiderte Siwa. „Aber weißt du was? Lass uns das doch einfach machen. Wir packen unsere Sachen und reisen zurück an den Strand. Da können wir auch wieder ausgiebig nach deinem Zuhause suchen. Und wer weiß, vielleicht kommt uns ja schon bald jemand besuchen? Und die Zeit bis dahin, machen wir es uns noch mal richtig schön. Am besten fangen wir morgen gleich damit an, diese olle, dunkle Bude ein wenig aufzuhübschen. Wir könnten ein paar Blumen aufstellen und lustige Girlanden basteln. Und außerdem gibt es noch so viel hier zu entdecken. Ich habe gehört es gibt hier ein Museum mit Experimenten zum selber machen. Das wäre doch was für dich? Und dann wollte ich dir noch unbedingt diesen abgefahrenen Zug zeigen. Der heißt Max Zügig und ist der schnellste Zug der Welt. Außerdem ist der ganz bunt angemalt und man betritt ihn durch eine Tür, die aussieht wie ein Maul. Und dann gibt es da noch…“
„Siwa?“, unterbrach Macarius seine Freundin, die nun fast übersprudelte vor Ideen und scheinbar ihre alte Lebenslust wieder gefunden hatte. „Mit dir fühlt es sich schon jetzt wieder ein wenig mehr nach zu Hause an.“, sagte Macarius und legte sanft seine Schere um seine beste Freundin. „Schön, dass du da bist.“, sagte er, bevor er selig einschlief.

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