Kapitel 8: Ein schwerer Abschied
„Pack deine Sachen, Macarius, wir ziehen weiter.“ Träge schlug Macarius die Augen auf. Die Sonne war noch nicht einmal richtig aufgegangen. Was wollte der verrückte Kakadu am frühen Morgen von ihm? „Macarius, wach auf.“ Jetzt sprang Siwa schon auf seinem Bett herum und stupste ihn immer wieder mit dem Schnabel an. Verärgert öffnete Macarius endlich die Augen.
„Was ist denn los?“
„Ich habe Nachricht von Tante Luise und Onke Trung bekommen“, antwortete Siwa aufgeregt. „Die beiden sind gerade in Japan. Es ist fast um die Ecke und wir sollen sie besuchen kommen.“
„Fast um die Ecke?“, entgegnet Macarius entgeistert. „Japan liegt doch nicht gerade um die Ecke.“
„Das vielleicht nicht, aber für Zugvögelverhätnisse ist es ein Katzensprung. Und wann hat man schon mal die Chance, Verwandte am anderen Ende der Welt zu treffen?“, gab Siwa zu bedenken.
Macarius hatte keine Lust, am frühen Morgen über eine so wichtige Entscheidung nachzudenken. Gerade noch hatte er tief und fest geschlafen und von ihren Abenteuern unter Wasser geträumt. Und jetzt sollte er in aller Eile seine Sachen packen? Nicht mit ihm. Der kleine Krebs wollte nicht noch einmal von seiner Freundin überrumpelt werden. Noch halb verschlafen antwortete er: „So eine Entscheidung trifft man nicht so früh am Morgen, Siwa. Ich muss darüber nachdenken und vor allem brauche ich jetzt erst einmal etwas zum Frühstück.“ Träge erhob sich die kleine Krabbe und verließ wortlos den Bungalow. Siwa wusste, dass sie ihren Freund jetzt nicht weiter nerven durfte. In ihrer Aufregung hatte sie ganz vergessen, dass der kleine Krebs ein echter Morgenmuffel war und man ihn lieber in Ruhe lassen sollte, bis er ausgeschlafen und von einem leckeren Frühstück gesättigt etwas genießbarer war. Wortlos ließ sie ihren Freund gehen.
Nach zwei dicken Bananenpfannkuchen und einem frischen Melonensaft ging Macarius die wenigen Meter von seinem Bungalow zum Strand. Gedankenverloren stapfte er durch den warmen Sand. Die Wellen plätscherten sanft um seine Beine. Hier waren sie in den letzten Tagen und Wochen oft entlang spaziert. Dort vorne links, die Klippen hinunter, waren sie immer zum Schnorcheln gegangen. Unter der Palme da vorne saßen sie oft und schauten dem Sonnenuntergang zu, und in dem Restaurant gleich da drüben aßen sie oft Pizza Magaritha, Macarius' Lieblingsessen und "ein völlig untypisches Gericht für Thailand", wie Siwa ihn immer wieder tadelnd darauf hinwies. Macarius lächelte, als er an diese Zeit dachte. Es hatte ihm hier wirklich gefallen. Zwar hatten sie bei all ihren Tauchgängen bisher vergeblich nach seiner Muschel gesucht, aber dafür hatte er etwas gefunden, das seinem Zuhause sehr nahe kam: einen Ort, an dem er sich wohl fühlte, umgeben von Freunden. Denn davon hatte Macarius auf dieser schönen Insel in letzter Zeit einige gefunden. Vor allem mit der kleinen Mila hatte er sich gut verstanden. Das kleine Kaninchen war gerade mit seinen Eltern im Urlaub und Macarius und Siwa hatten die Familie beim Pizzaessen kennen gelernt. Mila war ein sehr aufgewecktes und neugieriges Kaninchen und löcherte die beiden mit allen möglichen Fragen. Während Siwa von den vielen Fragen schnell genervt war, liebte es Macarius, ausführlich zu antworten und schon bald waren die beiden unzertrennlich. Macarius seufzte innerlich, hielt inne und ließ seinen Blick über die malerische Landschaft schweifen, über der inzwischen die Sonne aufgegangen war.
Ja, es gefiel ihm wirklich hier. Und er hatte das Gefühl, inzwischen jedes Sandkorn an seinem Strand zu kennen. Aber sein Zuhause hatte er noch nicht gefunden, auch wenn ihn all das hier für einen Moment davon ablenkte. Er musste weitersuchen, auch wenn er wusste, dass ihm der Abschied nicht leicht fallen würde.