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Kapitel 3: Das Abenteuer beginnt

Siwa war ein Gelbhaubenkakaduweibchen, die schon immer alles anders machen wollte. Da traf es sich gut, dass Siwa zu ihrer großen Freude und für einen Gelbhaubenkakadu äußerst ungewöhnlich grüne statt gelbe Federn hatte. Geboren wurde sie auf einer der unzähligen Inseln des indonesischen Archipels, ganz genau wusste Sie das selbst nicht. Siwa liebte es von klein auf, neue Dinge zu entdecken.

Kapitel 3: Das Abenteuer beginnt

Mit zwei Jahren bastelte sie sich aus Plastikresten einen falschen Schnabel und lebte undercover bei einer Tukanfamilie, bis der Schwindel aufflog und sie aus dem Nest gejagt wurde. Danach begleitete sie eine Zeit lang eine Horde Orang-Utans durch den Dschungel Borneos und entdeckte dabei zufällig einen Schwarm Zugvögel, die in der tropischen Wärme Indonesiens überwinterten. Jeden Abend lauschte Siwa gespannt den Geschichten der alten Vögel, die von unbekannten Orten und Bräuchen erzählten. Fasziniert von diesem Leben unterwegs und ohne feste Heimat, beschloss sie, die Zugvögel zu begleiten. Seitdem reist Siwa durch die Welt, besucht hier Freunde und da Freunde, entdeckt immer wieder Neues und sammelt Muscheln, wo immer sie kann. Dem kleinen Macarius zu helfen, sein Zuhause zu finden, war also ein Abenteuer ganz nach ihrem Geschmack. Nur an ein Problem hatte sie noch nicht gedacht. Während Siwa die Welt buchstäblich im Flug entdeckte, waren Einsiedlerkrebse mit ihren kleinen Beinchen und klobigen Körpern nicht gerade als Langstreckenläufer und Reiseabenteurer bekannt. Wie sollte sie also mit Macarius von A nach B kommen? Nun, Siwa Dudo wäre nicht die größte Muschelsammlerin und Abenteurerin der Welt, wenn sie darauf keine Antwort wüsste. „Wie bitte? Wir wollen mit dem Nachtzug fahren?“ Macraius sah Siwa fragend an, nicht sicher, ob ihr Vorschlag ernst gemeint war oder ob sie ihn nur wieder einmal verkackeiern wollte. „Aber warum denn nicht? Ich meine, natürlich gibt es nichts Schöneres als das Fliegen. Aber da du nicht sehr aerodynamisch aussiehst und wahrscheinlich auch nicht fliegen kannst und Flugzeuge schlecht für das Klima sind, wie du ja selbst immer wieder sagst, haben wir nicht viele Alternativen. Und glaub mir, du wirst es lieben. Es gibt nichts Schöneres, als abends in den Zug zu steigen und am nächsten Morgen erholt und ausgeschlafen an einem anderen Ort aufzuwachen. Glaub mir, es wird toll!“, versuchte Siwa Macarius mit Begeisterung in den Augen zu überzeugen. Der kleine Krebs gab sich geschlagen und gemeinsam machten sich die beiden auf den Weg zum nächsten Bahnhof. Schon eine Weile schlurften sie nebeneinander her und die sonst so aufgeweckte Vogeldame wurde mit der Zeit immer einsilbiger. Bildete sich Macarius das nur ein, oder hing auch ihr sonst so prächtiger Federschopf jetzt irgendwie schlaff zur Seite? „Alles in Ordnung?“, fragte er schließlich seine neue Freundin. Siwa blieb stehen und sah Macarius mit glasigen Augen an. Sie überlegte kurz, scheinbar unsicher, was sie antworten sollte. Schließlich holte sie tief Luft und begann zu erklären: „Weißt du, Macarius, ich bin zwar die taffeste Reiseabenteurin von hier bis zum Südpazifik, aber Abschiede sind mir schon immer schwer gefallen. Irgendwie halte ich es nirgendwo lange aus. Will immer mehr sehen, immer Neues entdecken. Aber wenn dann der Tag der Aufbruchs kommt, ist da immer dieser Knoten in der Brust und dieses Grummeln im Bauch. An den meisten Orten habe ich Freunde und Familie und obwohl ich weiß, dass ich sie wiedersehen werde, fällt es mir jedes Mal unendlich schwer, meine Liebsten zurückzulassen. Und das Schlimmste ist, dass man es mir buchstäblich an den Federspitzen ansieht. Jedes Mal, wenn es ans Verabschieden geht, hängt mein Federkamm nur noch schlaff wie ein Häufchen Elend herunter. Da hilft auch das beste Haargel nicht, sondern nur die Zeit.“ Siwa blickte traurig zu Boden. Macarius reichte seiner neuen Freundin behutsam die Schere und schaute ihr aufmunternd in die Augen: „Diesmal wird alles anders, Siwa. Du nimmst Abschied, aber diesmal bist du nicht allein. Vielleicht hat dir nur ein Freund gefehlt?“ Siwa lächelte, nahm Macarius bei der Schere und gemeinsam stiegen sie in den Zug.

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