Kapitel 2: Die Begegnung
"Was machst du denn da?", krächzte es plötzlich irgendwo über Macarius Kopf. Der kleine Krebs erschrak und versuchte sich reflexartig in sein nicht vorhandenes Muschelhaus einzurollen. Da hörte er plötzlich ein schallendes Gelächter über sich. "Was machst du denn da? Das sieht ja total lustig aus!" Vorsichtig blinzelte Macarius nach oben und entdeckte ein grünes Kakaduweibchen auf einem Baum direkt über ihm.
"Ich suche meine Muschel", antwortete Macarius zögernd. Daraufin weiteten sich die grünen Augen des kleinen Vogels und mit einem eleganten Flügelschlag schwebte die Kaku-Dame direkt vor Macarius Nase und sagte aufgeregt: "Du suchst auch Muscheln? Oh, ich liebe Muscheln. Es gibt sie in so vielen Formen und Farben, dass ich mich nie entscheiden kann, welche ich behalten soll. Hinter jedem Sandhaufen könnte sich ja eine noch schönere Muschel verstecken. Gerade eben habe ich dieses Prachtexemplar hier gefunden" Das Vogelweibchen deutete auf ihr grünes Halstuch, an dem eine kleine rosafarbene Muschel mit einer rostigen Büroklammer befestigt war. Macarius verdrehte die Augen, was bei einem Krebs ziemlich lustig aussehen konnte, und antwortete: "Ja, ja, aber ich suche nicht irgendeine Muschel, ich suche MEINE Muschel. Anscheinend habe ich sie bei dem Sturm letzte Nacht verloren und jetzt kann ich sie nirgends finden. Ich habe schon den ganzen Strand abgesucht und drehe langsam durch. Ich war noch nie so lange irgendwo ohne mein Zuhause und jedes Mal, wenn ich Angst habe und mich nicht in meiner Muschel verstecken kann, fehlt es mir noch mehr. Ich fühle mich so einsam und hilflos." Niedergeschlagen ließ der kleine Krebs seine Scheren hängen und blickte traurig zu Boden. Die Vogeldame blickte ihn mit ihren großen grünen Augen an und krächzte belehrend: "Aber du kleines Dummerchen, deine Muschel könnte längst von Wind und Wellen um die halbe Welt getragen worden sein, du hast wahrscheinlich den halben Strand umsonst abgesucht." Macarius spitzte die Ohren. Sie hatte recht, daran hatte der kleine Krebs in seiner Panik noch gar nicht gedacht. Gleichzeitig verlor er sämtlichen Mut, doch das Kakaduweibchen fuhr aufmunternd fort: "Aber Kopf hoch, kleiner Krebs, heute ist trotz all des Schlamassels dein Glückstag, denn ich, Siwa Dudo, die größte Muschelsammlerin von hier bis zum Südpazifik, werde dir helfen, dein Zuhause zu finden. Ich war sowieso auf dem Weg zurück in den Süden und ich habe so eine Ahnung, dass wir in dieser Richtung nach deiner Muschel suchen müssen. Und damit du dich in der Zwischenzeit nicht so nackt fühlst, besorgen wir dir noch schnell ein provisorisches Häuschen." Siwa blickte sich suchend um. "Wie wäre es mit dem da?" Sie deutete auf einen alten Plastikbecher und ehe Macarius sich versah, hatte sie ihm das kleine Stück Müll auf den Rücken gesetzt. "Passt doch wie angegossen", sagte Siwa zufrieden. "Na, das kann ja heiter werden", dachte Macarius nur und rollte zu Siwas Belustigung wieder mit den Augen. Das Abenteuer konnte beginnen...